Rückblicke
Die Schreinerin - die Hopfauer kennen sie noch
Oberndorf (dli). Nach über drei Jahren kehrte die gelernte Schreinerin Hanna Kleuser aus Oberndorf von ihrer Walz zurück. Ihre
Wanderschaft führte sie quer durch Europa. Am vergangenen Freitag kehrte sie wohlbehalten, aber müde wieder heim und feierte
diese Woche im Familien- und Freundeskreis ihren 30. Geburtstag.
Nach ihrem Abitur gelangte Hanna Kleuser über sehr lange Umwege zum Beruf des Schreiners. Für sie stand schon immer fest, „etwas mit den
Händen“ machen zu wollen. Schließlich hatte sie sich für eine Ausbildung zum Schreiner bei der Firma Gerhard Ade in Dürrenmettstetten entschieden. Ihre Gesellenprüfung legte sie mit Bravour ab und arbeitete noch ein Jahr lang im
Betrieb mit. Gewusst habe sie schon immer, dass man auf die Walz gehen kann, erzählt Hanna Kleuser. Aber so richtig darauf gebracht worden sei sie erst durch Hannes Beck, einem einheimischen Rolandsbruder aus Beffendorf, der
seine Wanderschaft beendet hatte. Bei einer Party von ihm hatte sie die ersten Gesellen getroffen und sich mit ihnen unterhalten. Dabei reifte bei ihr der Gedanke, selbst auf die Walz zu gehen. Bis zu ihrer Entscheidung verging aber
noch einige Zeit. Schließlich könne man nicht so einfach los rennen, sondern müsse jemanden haben der einen abholt, mit einem reist und
einweist, erklärt die Abenteuerin.Der sogenannte „Altreisende“ ist während der ersten drei Monate für den „Jungreisenden“
verantwortlich. Er muss selbst schon mindestens ein Jahr unterwegs sein und Erfahrung haben. Der „Altreisende“ erklärt, wie man auf der
Wanderschaft und der Straße klar kommt, einen Arbeitsplatz oder einen Schlafplatz erhält. Er bringe einem das Leben auf der Strasse
näher und sei wie eine „Mutter“, erläutert Hanna Kleuser. Am 30. Oktober 2005 war es soweit. Traditionell ging es zu Fuß los. Auf diese
Weise könne man sich Stück für Stück von seiner Heimat verabschieden. Während der Walz, die mindestens drei Jahre und einen Tag
dauert, dürfe die „Bannmeile“ von 50 Kilometern Umkreis zum Wohnort nicht mehr betreten werden. Dies sei schon hart, gesteht Hanna
Kleuser. Deshalb falle die Entscheidung für die Walz auch nicht von heut auf morgen. Neben der Fasnet stelle die Walz die älteste
gelebte Tradition der Welt dar. Die Walz ist eine Kultur aus dem deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich , Schweiz). Da die
meisten Menschen die Kluft und ihre Bedeutung hier zulande kennen, ist es sehr viel einfacher zu reisen. Deshalb gibt es die Regel, dass
im ersten Jahr der deutschsprachige Raum nicht verlassen werden darf um sich erst einmal zu festigen. Erst dann gehe man ins Ausland,
klärt Kleuser auf. Nach dem Motto „Reisen um zu arbeiten und arbeiten um zu reisen“ führte sie ihre Wanderschaft nach Norwegen,
Irland, Spanien, Frankreich, Portugal und mehrmals nach Italien. Sehr viel war sie auch in der Schweiz unterwegs. Mit sprachlichen
Problemen hatte sie in Spanien, Frankreich und Italien zu kämpfen. Zur Not habe man sich man sich mit Händen und Füßen verständigt.
Schnell lerne man aber seine „zehn Vokabeln“ und komme damit klar. Wenn man sich bemühe, seien die Leute auch aufgeschlossen.Ein
Ziel von ihr war es, einmal über die Alpen laufen. Dies habe sie auch gemacht in dem sie von Zürich über den Gotthard nach Bellinzona
getippelt sei, verrät Hanna Kleuser. In ihrem Bündel, dem „Charlottenburger“ hat sie neben Kleidung, dem Werkzeug und dem
Schlafsack auch die Lohnsteuerkarte. Die Wandergesellen sind keine Billigarbeiter. Sie werden angemeldet und mit dem ortsüblichen
Lohn bezahlt. Ihre große Erfahrung kommt ihnen bei der Suche nach Arbeit zu Gute. Übernachtet wird (je nach Witterung) unter dem
freien Himmel oder bei freundlichen Leuten. Bleiben dürfen sie höchstens drei Monate, oder salopp gesagt „bis der Hund nicht mehr
bellt und der Postbote grüßt“. Selbst als Frau hatte sie in der Männerdomäne keine Probleme eine Arbeit zu finden und akzeptiert zu
werden, aber man müsse sich behaupten. Man dürfe aber auch nicht pingelig sein und müsse die gleiche Arbeit wie die Männer machen
und sich nicht scheuen, machte die Wandergesellin deutlich. Meist hatte sie auf ihrer Walz nur gute Erfahrungen gemacht. Mit ihren
Reisekameraden hatte sie sich in Calw verabredet und gemäß alter Tradition den Heimweg wieder zu Fuß angetreten. Sie hatten Hanna
wieder nach Hause gebracht. Auf ihrem Rückmarsch machte sie auch einen Abstecher bei der Schreinerei Ade und bei ihren
ehemaligen Nachbarn in Hopfau. Frank Ziegler lud die insgesamt neun Wandergesellen spontan zu sich ein, verköstigte sie und bot ihnen
ein Nachtquartier. Am nächsten Tag zogen sie weiter und sie freute sich bereits auf das „Hotel Mama“. Wie beim Abschied gab es auch
bei der Heimkehr von Hanna Kleuser in Oberndorf wieder ein großes Fest. Bis zu 40 Wandergesellen hatten sich eingefunden um mit ihren
Freunden und Familienangehörigen zu feiern. Nach einigen Tagen Ruhe und Erholung möchte sich Hanna Kleuser eine feste Arbeit suchen.
Das Bild zeigt Hanna Kleuser (links) in ihrer schwarzen Kluft zusammen mit ihrem ehemaligen Nachbarn Frank Ziegler und einem Teil ihrer
Wandergesellen. Ihre Kluft zeigt, dass sie im Holzgewerk tätig ist. Aufschluss über ihren Beruf gibt die angesteckte Handwerksnadel.
200902020822